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Interview mit einem Onkologen: Wie sich die Krebsdiagnostik und -therapie weiterentwickeln

Interview mit einem Onkologen: Wie sich die Krebsdiagnostik und -therapie weiterentwickeln

Interview mit einem Onkologen: Wie sich die Krebsdiagnostik und -therapie weiterentwickeln

MedicusUnion Team

MedicusUnion Team

November 21, 2025

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In diesem Interview erläutert ein renommierter Onkologe die wichtigsten Fortschritte in der Krebsdiagnostik und -behandlung, beschreibt Warnsymptome, betont die Bedeutung von Screening und Prävention und gibt praktische Empfehlungen für Patienten. Zudem erklärt er, warum Österreich zu den führenden Ländern in der Onkologie zählt.

Priv.-Doz. Dr. Irene Kürer ist leitende Fachärztin am AKH Wien für Allgemeine Onkologie, Hämatologie und Innere Medizin. Sie steht dem Tumorboard der Klinik vor und ist Mitbegründerin der European Federation for Colorectal Cancer.

Wie haben sich die Diagnostik und die Behandlung von Krebserkrankungen in den letzten Jahren entwickelt und welche wichtigen Fortschritte haben die Behandlungsergebnisse verbessert?

Ja, ich denke, dass wir gerade in den letzten Jahren einen echten Durchbruch in der Behandlung von Krebserkrankungen erlebt haben – sowohl bei hämatologischen Erkrankungen als auch bei soliden Tumoren. Dies ist vor allem der Einführung der Immuntherapie zu verdanken sowie einer deutlich verbesserten molekulargenetischen Diagnostik, die es ermöglicht, spezifische Marker zu identifizieren und gezielte, personalisierte Therapien für jeden einzelnen Patienten zu entwickeln. Dadurch sind die Behandlungsergebnisse deutlich besser geworden.

Gibt es Krebsarten, die heute häufiger oder seltener auftreten? Welche genetischen, ökologischen oder verhaltensbezogenen Faktoren beeinflussen diese Entwicklungen?

Ja, das ist eine sehr interessante Frage. Tatsache ist, dass Darmkrebs heute deutlich häufiger bei jungen Menschen auftritt – was früher nicht der Fall war. Früher trat diese Erkrankung typischerweise im Alter von 60–65 Jahren auf, und heute sehen wir Patienten bereits mit 35 Jahren – und nicht nur bei familiärer Vorbelastung. In Österreich wurde deshalb das Alter für die erste Vorsorgekoloskopie auf 40 Jahre gesenkt.

Was sind die Gründe? Bewegungsmangel, ein hoher Anteil tierischer Fette in der Ernährung sowie verschiedene genetische Faktoren, die weiterhin erforscht werden. Aber der wichtigste Punkt ist: Auch junge Menschen können an Darmkrebs erkranken, und genau das wird von vielen Ärzten – sowohl Allgemeinmedizinern als auch Fachärzten – unterschätzt. Es wird nach Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder anderen Ursachen gesucht, und deshalb ist es extrem wichtig, bei allen Darmbeschwerden in jungen Jahren unbedingt eine Koloskopie durchzuführen. Das ist absolut essenziell.

Wie entscheidend ist die Früherkennung von Krebs, und welche Screening-Methoden werden heute empfohlen?

Die Früherkennung ist außerordentlich wichtig, und das zeigt sich besonders beim Brustkrebs: Regelmäßige Mammographien – vor allem wenn sie rechtzeitig beginnen – ermöglichen eine Diagnose in frühen Stadien, und die Heilungschancen steigen deutlich. Aber das gilt für alle Screening-Verfahren.

Was sollte untersucht werden?

  • Die Haut – sehr wichtig, da durch die intensive Sonneneinstrahlung die Häufigkeit von Melanomen steigt.
  • Der Magen-Darm-Trakt – eine einfache Koloskopie oder Gastroskopie kann viele Erkrankungen frühzeitig erkennen.
  • Bei Frauen – das komplette Spektrum gynäkologischer Vorsorgeuntersuchungen.
  • Bei Männern – regelmäßige Prostatauntersuchungen beim Urologen in bestimmten Abständen.

Das sind die wichtigsten Screeningmethoden. Und ein weiterer Punkt erscheint mir extrem wichtig: Wenn ein Mensch plötzlich arbeitsunfähig wird, sich schlechter fühlt ohne klare Ursache, oder wenn in den Laborwerten eine Eisenmangelanämie festgestellt wird, muss unbedingt eine weiterführende Diagnostik erfolgen. Das kann eine Röntgenaufnahme des Brustkorbs, eine Mammografie, eine Gastroskopie, Koloskopie, gynäkologische Untersuchung sowie die Untersuchung der Brust oder der Harnblase umfassen – je nach individueller Situation.

Welche Symptome sollten Patienten dazu veranlassen, einen Spezialisten aufzusuchen, und wie sollte man dabei vorgehen?

Wichtig ist: Sobald die Diagnose Krebs gestellt wird, sollte man noch vor einer Operation einen Spezialisten aufsuchen – es sei denn, es handelt sich um einen Notfall. Denn ab dem Moment der Diagnose wird der weitere Verlauf der Erkrankung und das Schicksal des Patienten maßgeblich beeinflusst. Die richtige Therapieauswahl, die korrekte Abfolge von neoadjuvanter Chemotherapie, Immuntherapie, Strahlentherapie oder Chirurgie – und heute gibt es viele Varianten – entscheidet über das Behandlungsergebnis.

Bei fortgeschrittenen Tumorstadien kann eine falsch gewählte Reihenfolge dazu führen, dass eine entscheidende Chance verpasst wird. Das gilt auch für andere Erkrankungen. Deshalb sollte nach der Diagnose unbedingt ein Spezialist hinzugezogen werden, der in einem multidisziplinären Team arbeitet, mit anderen medizinischen Bereichen vernetzt ist und bestimmen kann, mit welcher Therapie begonnen und welche Schritte danach folgen sollten.

Welche Präventionsmaßnahmen und Gewohnheiten sind heute besonders wichtig, um das Krebsrisiko zu senken?

Man kann sagen, dass viele Krebsarten leider Krankheiten unserer Zeit geworden sind – vor allem aufgrund der Ernährung: einer hohen Menge tierischer Fette, wenig Ballaststoffen und dem Konsum von Alkohol, der nicht nur Mund, Rachen, Speiseröhre, Magen und Bauchspeicheldrüse betrifft, sondern viele weitere Organe und das Risiko für Krebserkrankungen erhöht.

Was kann man sonst tun, um vorzubeugen? Regelmäßige medizinische Untersuchungen und Laboranalysen durchführen lassen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass es sogenannte „Krebsfamilien“ gibt. Das bedeutet erbliche, genetisch bedingte Krebsformen. Wenn in einer Familie eine Krebserkrankung vorliegt, sollten sich auch andere Familienmitglieder untersuchen lassen. Man kann einen familiären Stammbaum erstellen und entsprechende genetische Tests – beispielsweise Blutanalysen – durchführen, um das individuelle Risiko zu bestimmen.

Welche Schritte sollten Patienten unternehmen, wenn sie den Verdacht haben, dass sie einen Onkologen benötigen oder bereits zu einem überwiesen wurden?

Sehr wichtig ist, dass Patienten, die von einem Zentrum zum anderen wechseln – sei es für eine Zweitmeinung oder für eine Therapie – alle medizinischen Unterlagen sammeln, selbst jene, die auf den ersten Blick unbedeutend erscheinen, sowie alle Bilddaten: CT, Röntgen, MRT und so weiter. Und es ist wichtig zu wissen, welche Medikamente der Patient einnimmt – viele wissen das nämlich nicht genau.

Mit einer vollständigen Anamnese, wie wir es nennen, kann man dem Arzt deutlich präzisere Fragen stellen – sowohl online als auch bei einem persönlichen Gespräch – und so unnötige Doppeluntersuchungen vermeiden und schneller Ergebnisse erhalten.

Letzte Frage: Was macht Österreich zu einem guten Ort für die Diagnose und Behandlung von Krebs?

In Österreich gibt es ein sehr gut ausgebautes Gesundheitssystem und eine starke wissenschaftliche Forschung. Wir haben die Möglichkeit, die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und zugelassenen Medikamente zu nutzen – genauso wie in den USA die FDA arbeitet, haben wir hier die EMA, und die Palette an verfügbaren Medikamenten ist sehr breit. Alle modernen Untersuchungsmethoden, die heute weltweit eingesetzt werden, sind auch bei uns verfügbar – teilweise auch mit Unterstützung durch künstliche Intelligenz. Zum Beispiel kann die MRT der Prostata mithilfe von KI deutlich präziser ausgewertet werden.

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